Sonntag, 25. Februar 2018

Der depressive Mensch als Problemfall: Wer isoliert wird, isoliert sich

Österreich Ein Experiment im Oberen Waldviertel befreit Arbeitslose von ständiger Drangsalierung und Depression

Heidenreichstein mit etwa 4.100 Einwohnern ist eine verletzte Kleinstadt. Vor allem nach dem Kollaps der Industrie Ende der 1970er, Anfang der 1980er Jahre hat sich der Ort im Oberen Waldviertel in Niederösterreich nie mehr richtig erholt. Die Arbeitslosenrate ist entsprechend hoch. Seit einigen Monaten läuft hier nun das Projekt „Sinnvoll tätig sein“ (STS), das jenseits gängiger Disziplinierungsmuster versucht, über 40 Langzeitarbeitslosen (in etwa ein Prozent der Bevölkerung) Perspektiven zu eröffnen, die sich doch von obligaten Erwartungshaltungen unterscheiden. Geleitet wird dieses Projekt, das offiziell als Kurs des AMS (Arbeitsmarktservice, das österreichische Pendant zur Bundesagentur für Arbeit) firmiert, von Karl Immervoll und der „Betriebsseelsorge Oberes Waldviertel“, die mit ähnlichen Initiativen schon einschlägige Erfahrungen sammeln konnten. Arbeitslose sollen nicht als Fälle oder gar Problemfälle wahrgenommenen werden, sondern als Menschen. Natürlich geht es auch um Arbeit und Arbeitsplatz – vorrangig jedoch um die Personen selbst. Nicht Was sollen wir? ist die entscheidende Frage, sondern Was wollen wir? Was will ich?
mehr:
- Das Ende der Angst (Franz Schandl, der Freitag 5/2018)