Freitag, 3. Februar 2017

Eine Schematisierung der Vorgänge im Geist

Mentalisierung: Menschen können reflektierend einen „Binnenraum“ erleben, in dem sich Psychisches ereignet, und sie besitzen eine Sprache für diese Innenvorgänge.
Selbstreflexion: Menschen können sich bewusst machen, welche Gefühle, Bedürfnisse, Absichten, Gedanken in ihrem Inneren auftauchen und was diese Vorgänge mit ihrem psychischen Kern, ihrem Selbst zu tun haben.
Selbstbild: Menschen können ihr typisches Erleben und ihre charakteristischen Einstellungen und Handlungsbereitschaften als ein konstantes Bild ihrer Persönlichkeit erfahren.
Embodied Self: Menschen erleben sich zugleich als psychische Person und als körperlich lebendiges Wesen. Wenn sie von „Ich“ sprechen, sind immer psychische und körperliche Aspekte zugleich gemeint.
Identität: Menschen versuchen, die verschiedenen und zuweilen widersprüchlichen Seiten ihrer Person über die Zeit hinweg in ein kohärentes und konstantes Bild ihres Selbst zu integrieren. Dazu gehören neben den psychischen Merkmalen insbesondere auch die psychosexuellen und sozialen Aspekte der Person.
Konflikterleben: Menschen, die sich selbst gegenüber offen sind, registrieren innere Spannungen zwischen gegenläufigen Interessen, Triebregungen, sozialen Verpflichtungen und gesellschaftlichen Normen (was unter Umständen affektiv so spannungsreich ist, dass Teilaspekte aus dem bewussten Erleben verdrängt werden).
Zeiterleben: Menschen erleben ein Kontinuum von früher über heute nach zukünftig hin, wobei das Bewusstsein des Jetzt den eigentlichen Fixpunkt darstellt.
Erinnerung: Menschen können ihre bewusste Aufmerksamkeit auf zurückliegende Ereignisse richten und sich diese vor Augen führen, was allerdings mehr zu einer subjektiven Rekonstruktion als zu einer objektiven Erinnerung führt.
Antizipation: Menschen können den Fortgang von Entwicklungen „hochrechnen“ und sich selbst und andere in künftigen Situationen vorstellen.
Fantasie: Menschen können die Erinnerung an vergangene Situationen und die Vorstellung künftiger Ereignisse in der Fantasie durchspielen und subjektiv so ausgestalten, wie es ihnen beliebt.
Symbolisierungsfähigkeit: Menschen sind imstande, Erlebtes und Erdachtes in künstlerischen Zeichen zum Ausdruck zu bringen, die auch von anderen Menschen verstanden werden.
Sprachliche Ausdrucksfähigkeit: Sprache steht als emotional unterlegtes Mittel der Kommunikation zur Verfügung. Subjektiv Erlebtes, Wahrgenommenes oder Gewolltes kann in einer jeweils eigenen, persönlich gestalteten Sprache zum Ausdruck gebracht (aber auch durch die eigene Sprache verborgen) werden.
Wertorientierung: Menschen können das, was sie planen oder was sie tun, an individuellen und kollektiven Wertmaßstäben messen und sich ggf. daran ausrichten.
 (aus: Gerd Rudolf, Wie Menschen sind, Schattauer, 2015)
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Rezensionen:
- Was den Mensch zum Menschen macht (Buchkritik von Melinda Baranyai, Spektrum, 31.07.2015)
- Psychotherapeut Gerd Rudolf veröffentlicht neues Buch (Rhein-Neckar-Zeitung, 02.10.2015)
- Rezension (Anton Schlittmaier, SocialNet, 09.09.2015)

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