Sonntag, 23. August 2015

Intuitives Wissen – Zhuangzi und die Freude der Fische

秋水: 莊子與惠子遊於濠梁之上。莊子曰:“儵魚出遊從容,是魚之樂也。”惠子曰:“子非魚,安知魚之樂?”莊子曰:“子非我,安知我不知魚之樂?”惠子曰:“我 非子,固不知子矣;子固非魚矣,子之不知魚之樂全矣。”莊子曰:“請循其本。子曰‘汝安知魚樂’云者,既已知吾知之而問我,我知之濠上也。” 


Zhuangzi und Huizi bummelten (lustwandelten) oberhalb des Flusses Hao (auf einem Damm oder einer Brücke). Zhuangzi sagte: Die Elritzen kommen heraus und tummeln sich lustig. Das ist die Freude der Fische. Huizi sagte: Ihr seid kein Fisch. Wie könnt Ihr um die Freude der Fische wissen? Zhuangzi sagte: Ihr seid nicht ich. Wie könnt Ihr wissen, dass ich nicht um die Freude der Fische weiß? Huizi sagte: Ich bin nicht ihr. Gewiss weiß ich nichts von euch. Aber gewiss seid Ihr kein Fisch, so könnt ihr nicht um die Freude der Fische wissen. Ganz klar! Zhuangzi sagte: Bitte entsprechen wir dem Ursprung (wörtlich: kehren wir zurück zur Wurzel ). Ihr sagtet: wie könnt dir um die Freude der Fische wissen? Als ihr dies sagtet, wusstet ihr bereits dass ich um sie weiß und habt trotzdem gefragt. Ich weiß es (vom Bummeln) oberhalb des Flusses. (Zhuangzi 17.7)
遊 yóu to roam; travel
樂 lè happy; laugh; cheerful
樂 yuè music

本 běn roots or stems of plants; origin; source; this; the current; root; foundation; basis; (a measure word)
魚之樂 you zhi le: die Freude der Fische, die Freude an den Fischen

Zhuangzi bummelt mit seinem Freund am Ufer, drunten tummeln sich die Fische. Die Freunde lustwandeln am Ufer und nehmen teil an dem lustigen Treiben im Wasser. Ist es nicht eine Lust leicht durchs Wasser zu gleiten? Zhuangzi konnte sich offenbar gut in die Fische einfühlen und als er sie sah, fühlte er sich auch wie ein Fisch im Wasser. Was ist besonders an dieser Geschichte, die eine der bekanntesten im Zhuangzi ist? Sehen wir etwas genauer zu und achten auf den Witz, der – wie so oft – in der "Grammatik" sitzt. Betrachten wir in der Verbindung der drei Schriftzeichen, die als Titel dienen, zunächst das auf den ersten Blick völlig unbedeutend erscheinende zhi, das den Genitiv markiert: die Freude der Fische. Sollte man den Genitiv nicht nur – wie üblich – als Genitiv subiektivus lesen können (die von den Fischen empfundene Freude), sondern zugleich als Genitivus obiectus (die Freude an den Fischen), so würde die Ambivalenz des Genitivs bereits einen ersten Hinweis enthalten auf die "Unzweiheit" von Subjekt und Objekt, einen Hinweis auf die Art des freudigen Miteinander von Mensch und Tier, um die es in der Geschichte geht. Einen zweiten Hinweis enthält das Schlüsselwort you 遊, das das Zhuangzi gleichsam als Leitmotiv durchzieht und gleich im Titel des ersten Kapitels xiao yao you unbekümmertes Wandern, vorkommt. Die Pointe unserer Geschichte von der Freude der Fische ist die, dass Zhuangzi deshalb von der Freude der Fische weiß, weil er mit Huizi am Ufer dasselbe tut, was die Fische im Wasser zu: you, bummeln, sich tummeln, spielen. Das sich Tummeln der Fische entspricht dem Bummeln der Freunde. Es gibt eine gegenseitige Entsprechung, ein Miteinander nicht nur der im Wasser spielenden Fische untereinander und der beiden mit der Sprache spielenden Freunde, sondern auch eine Symbiose im Zusammenspiel zwischen den beiden Altmeistern mit ihren Sprachspielen unter Wasserspiele treibenden Fischen. Der rationale Diskurs zwischen Zhuangzi und Huizi dagegen zeigt, dass dessen sophistisches Vernünfteln scharfsinnig an der Sache vorbei argumentiert und ihr nicht auf den Grund geht. Zhuangzis Mitfreude, seine Teilnahme an dem, was ihm die Fische ohne Worte mitteilen, seine Einfühlung und Eingelassenheit auf ihre Ausgelassenheit ist eine intuitive. Während Huizis Kommunikation mit Zhuangzi diskursiv ist, abstrakt-begrifflich, ist Zhuangzis Kommunikation mit den Fischen intuitiv, konkret-anschaulich. Bei Zhuangzis Mahnung an Huizi zur Wurzel der Sache zurückzukehren, könnte man wieder an Wittgensteins ästhetischen Imperativ denken: Denk nicht – sondern schau! 

siehe auch:

- Daisetz Teitaro Suzuki – Über Zen-Buddhismus 

Street Zazen @HungryJack's Melbourne [3:17]

Hochgeladen am 21.06.2011
Kodo Sawaki Roshi: "When practicing Zazen, you have more time than anyone else in the world!" Zazen on busy city street in Melbourne Australia, Seikan Cech, June 2011

Auf den ersten Blick scheint völlig klar zu sein, daß es einen gewaltigen Unterschied zwischen den umherlaufenden Menschen und dem sitzenden Zen-Mönchen gibt. Je länger ich mir das Video ansehen, desto mehr drängt sich ein anderer Aspekt in den Vordergrund. Innerhalb dieses Interpretationsmodells würde ich jetzt eher vermuten, daß das, was wir in dem Video sehen (»Szene in der Szene«), ungefähr dem entspricht, was der meditierende Mönch sieht: Den Elementen, die im Geist vor dem Betrachter vorbeiziehen, entspricht die Menge der Menschen, die vor der Kamera auf dem Bürgersteig vorbeigehen. Die auf dem Bürgersteig vorbeiziehenden Menschen scheinen - wie man so schön aus buddhistischer Sicht sagen könnte – in ihren Illusionen (= Projektionen) gefangen. Beim  Mönchen gehen wir davon aus, daß er es nicht ist.
siehe dazu:
- Fernöstliche Autoritäten und ihre »Geistesgifte« (Post, 03.08.2013)

Man Levitates. MUST SEE!!!! [2:49]

Veröffentlicht am 14.03.2015
Levitation 100% Real

Unser Geist stellt zwischen den Dingen, die wir wahrnehmen, ständig Kausalverknüpfungen her, ohne daß wir uns dessen bewußt sind. Findet er keine vernünftigen Kausalverknüpfungen, so sagen wir, daß wir »unseren Augen nicht trauen« können. Dabei geht es nie um unsere Augen, es geht immer um die Interpretationsvorgänge, die unterschwellig in unserem Geist ablaufen.

[…] Die menschliche Vernunft hat das besondere Schicksal in einer Gattung ihrer Erkenntnisse: daß sie durch Fragen belästigt wird, die sie nicht abweisen kann; denn sie sind ihr durch die Natur der Vernunft selbst aufgegeben, die sie aber auch nicht beantworten kann; denn sie übersteigen alles Vermögen der menschlichen Vernunft.

In diese Verlegenheit gerät sie ohne ihre Schuld. Sie fängt von Grundsätzen an, deren Gebrauch im Laufe der Erfahrung unvermeidlich und zugleich durch diese hinreichend bewährt ist. Mit diesem steigt sie (wie es auch ihre Natur mit sich bringt) immer höher, zu entfernteren Bedingungen. Da sie aber gewahr wird, daß auf diese Art ihr Geschäft jederzeit unvollendet bleiben müsse, weil die Fragen niemals aufhören, so sieht sie sich genötigt, zu Grundsätzen ihre Zuflucht zu nehmen, die allen möglichen Erfahrungsgebrauch überschreiten und gleichwohl so unverdächtig scheinen, daß auch die gemeine Menschenvernunft damit im Einverständnisse steht. Dadurch aber stürzt sie sich in Dunkelheit und Widersprüche, aus welchen sie zwar abnehmen kann, daß irgendwo verborgene Irrtümer zum Grunde liegen müssen, die sie aber nicht entdecken kann, weil die Grundsätze, deren die sich bedient, da sie über die Grenze aller Erfahrung hinausgehen, keinen Probierstein der Erfahrung mehr anerkennen. Der Kampfplatz dieser endlosen Streitigkeiten heißt nun Metaphysik. (Immanuel Kant, Kritik der reinen Vernunft, VorredeKorpora.org, Uni Duisburg-Essen)
Die Ordnung und Regelmäßigkeit an den Erscheinungen, die wir Natur nennen, bringen wir selbst hinein, und würden sie auch nicht darin finden können, hätten wir sie nicht, oder die Natur unseres Gemüts ursprünglich hineingelegt.“ (Immanuel Kant, Kritik der reinen Vernunft, Bd. 4, zit. in Wikipedia)



»It ain't what you don't know that gets you into trouble. It's what you know for sure that just ain't so.« (Mark Twain, gefunden in
When Corrections Fail: The persistence of political misperceptions (Brendan Nyhan, Jason Reifler, School of Public Health, University of Michigan, 30.03.2010, PDF, Original bei Springer))




In konflikthaften zwischenmenschlichen Beziehungen und metaphysischen Diskussionen gilt es, in den verstaubten Ecken des vermeintlich Selbstverständlichen zu kratzen, um sich nicht zu verrennen!




In der obigen Geschichte geht es um Wissen, welches Zhuangzi zugeschrieben wird.
1. Aufgrund ihrer Bewegungen »weiß« Zhungzi, daß die Fische Freude empfinden.
2. Zhuangzi »weiß«, daß Huizi von Zhuanzis Wissen weiß.
… und der Leser soll das glauben…

Wohlfahrt schreibt:
Die Pointe unserer Geschichte von der Freude der Fische ist die, dass Zhuangzi deshalb von der Freude der Fische weiß, weil er mit Huizi am Ufer dasselbe tut, was die Fische im Wasser zu: you, bummeln, sich tummeln, spielen. [Wer sagt, daß das dasselbe ist?Das sich Tummeln der Fische entspricht dem Bummeln der Freunde. [Wer stellt die Entsprechung her?] Es gibt eine gegenseitige Entsprechung, ein Miteinander nicht nur der im Wasser spielenden Fische untereinander und der beiden mit der Sprache spielenden Freunde, sondern auch eine Symbiose im Zusammenspiel zwischen den beiden Altmeistern mit ihren Sprachspielen unter Wasserspiele treibenden Fischen. [Wer sagt das?] Der rationale Diskurs zwischen Zhuangzi und Huizi dagegen zeigt, dass dessen sophistisches Vernünfteln scharfsinnig an der Sache vorbei argumentiert und ihr nicht auf den Grund geht. [Es lohnt sich, die Frage zu beantworten: an welcher Sache? Es gibt keinen vom Beobachter unabhängigen Grund! Wer urteilt darüber, ob Huizi an der Sache (an welcher?) vorbeiargumentiert?]
Nach Wohlfahrt weiß Zhuangzi von der Freude der Fische, weil er mit Huizi am Ufer dasselbe tut. Aber wer stellt »dasselbe« her? Wer sagt: »Das ist dasselbe!«? Unsere Augen? – nein, unser Geist!
Und wer diesem Schluß nicht folgen mag, vernünftelt scharfsinnig an der Sache vorbei und verfehlt das Dao…
Das sich Tummeln der Fische entspricht dem Bummeln der Freunde.
Und wer diesem Schluß nicht folgen mag, vernünftelt scharfsinnig an der Sache vorbei und verfehlt das Dao…
Es gibt eine gegenseitige Entsprechung, ein Miteinander nicht nur der im Wasser spielenden Fische untereinander und der beiden mit der Sprache spielenden Freunde, sondern auch eine Symbiose im Zusammenspiel zwischen den beiden Altmeistern mit ihren Sprachspielen unter Wasserspiele treibenden Fischen.
Und wer diesem Schluß nicht folgen mag, vernünftelt scharfsinnig an der Sache vorbei und verfehlt das Dao…
Zhuangzi konnte sich offenbar gut in die Fische einfühlen und als er sie sah, fühlte er sich auch wie ein Fisch im Wasser. 
Er konnte sich gut in die Fische einfühlen? (Wer sagt das?) Er fühlte sich auch wie ein Fisch im Wasser? Eher: Er fühlte sich so, wie er sich vorstellte, daß sich ein Fisch im Wasser fühlt! Bzw. Wohlfahrt ist der Meinung, daß sich Zhuangzi so fühlte.
Da wir aber ja alle gern mit dem Dao eins sein möchten und nicht linear auf unsere rationale linke Gehirnhälfte beschränkt sein möchten, folgen wir dieser Logik.
Vorsicht!


Der japanische Philosoph und Dichter Sumi Tagi besingt die Nachtigall:




Die Nachtigall singt mit voller Stimme,
als ob
sie die Gitterstäbe ihres Käfigs
nicht sähe.
Dagegen berichten die Vogelliebhaber Bocholt und Umgebung e. V.:
In der freien Natur ist der Gesang an Vielfalt fast nicht zu übertreffen, in Gefangenschaft läßt die Variabilität jedoch stark nach.
Ich habe kein Problem damit, wenn Sumi Tagis Aussage dabei hilft, mit mißlichen Lebensumständen eine zeitlang fertig zu werden, indem man sie ignoriert, würde mich aber davor hüten wollen, sie wörtlich zu nehmen, indem man sie als eine zutreffende Aussage über die Befindlichkeit einer Nachtigall ansieht.
Das Buch »Harmonie interieure – Vivre avec harmonie avec soi-même« von Janine Mora (Googlebooks) zitiert Sumi Tagis Spruch als Leitmotiv des Kapitels »La Veritable Liberté«


»[Es] ist uns heute kaum fassbar, mit welch entwaffnender Unbefangenheit angesehene Zoologen auch in der letzten Brehm-Auflage noch Tiere vermenschlichten und nach unsern eigenen Werturteilen maßen. Wenn manche Tierarten als »dumm«, »stumpfsinnig«, »hässlich« oder »bösartig« bezeichnet wurden, so erhielten andere die Eigenschaften »klug«, »sanft«, »hübsch« oder »ritterlich« verliehen. Heute wissen wir, dass jede Tierart angebotenen arterhaltenden Verhaltensformen gehorcht, die sinnvoll auf ihren Lebenskreis zugeschnitten sind; wir wissen aber auch, wie sehr unser Urteil über die Tiere unbewusst von unseren eigenen, gleichfalls angebotenen Auslösern und Schlüsselreizen beeinflusst und verzerrt wird.« (Bernhard Grzimek im Vorwort zu seinem ›Tierleben‹, zit. in Ludwig Fischer, Hrsg., Unerledigte Einsichten: Der Journalist Horst Stern, Googlebooks, S. 129)

Professor Bernhard Grzimek - Tierfilmer & Verhaltensforscher 1965 [4:32]

Hochgeladen am 09.01.2012
Professor Bernhard Grzimek - Tierfilmer & Verhaltensforscher 1965

Ausschnitte aus seiner TV-Serie 'Ein Platz für Tiere'

Dokumentarfilm 'Serengeti darf nicht sterben' (1959)

Loriot - Die Steinlaus [3:48]

Hochgeladen am 24.06.2010
loriot präsentiert als professor grzimek die steinlaus, das "kleinste nagetier unserer heimat", das mit seiner gefräßigkeit ganze hochhäuser und kirchen zum einsturz bringt....

»Die Todsünde der Vermenschlichung der Tiere wird auch unser Buch, wie jedes nicht rein wissenschaftliche Werk über Tiere, streifen, fürchte ich. Wollte man diesem Mangel konsequent abhelfen, so liefe das auf eine quasi außermenschliche Erklärung des Tieres hinaus. Das ist unmöglich, wo Menschen Tiere beschreiben. Die Gefühlswelt der Tiere, soweit sie nicht physiologischer Natur ist, wird uns, wenn wissenschaftliche Exaktheit verlangt wird, ewig verschlossen bleiben. Wir können ahnen. Wissen werden wir nicht. Auf das spekulative Ahnen aber ganz zu verzichten, weil sie sich anders als unter Verwendung von Begriffen aus der menschlichen Gefühlswelt nicht anschaulich beschreiben lässt, wäre wahrhaft töricht.« (Horst Stern im Vorwort zu seinem Buch Leben am seidenen Faden. Die rätselhafte Welt der Spinnen, zit. in Ludwig Fischer, Hrsg., Unerledigte Einsichten: Der Journalist Horst Stern, Googlebooks, S. 143, Hervorhebung von mir)

Horst Stern: Bemerkungen über einen sterbenden Wald, Teil 1 [10:57]

Veröffentlicht am 03.11.2014
Spiegel-TV-Reportage vom 23. November 1997
Horst Sterns Reportage über das Fichtensterben im Nationalpark Bayerischer Wald
Autoren: Horst Stern und Sabine Paul


Narrative Psychologie geht davon aus, dass Menschen ihrem Leben Sinn und Bedeutung verleihen, indem sie Erlebnisse in Form von Geschichten und Erzählungen wiedergeben. Einzelne Lebensereignisse werden so nicht − wie von selbst miteinander verbunden betrachtet: Verbindungen und Plausibilitätwerden vielmehr erst im Prozess der Narrativierung vom Subjekt geschaffen. Ausgangspunkt für eine Erzählung sind weder die Fakten noch der Glaube daran, dass es wirklich so war, sondern die aktuelle Präsenz des erzählenden Subjektes in Raum und Zeit.
Erzählungen sind sodann nicht das Ergebnis einer wie auch immer gearteten Vergangenheit, sondern der Versuch des Erzählers, aus der Perspektive des hier und jetzt eine − für den Zuhörer und sich selbst − kohärente Geschichte zu formulieren. Erzählt wird dabei in drei Formen der Zeit: Das jeweilige Ereignis stammt aus der Vergangenheit, es wird mit aktuellen Zuständen der Gegenwart verknüpft und in einer Antizipation zur Zukunft gesehen. Ein besonderes Interesse innerhalb der Narrativen Psychologie gilt dabei den Erzählungen einer Person über sich selbst, also ihrer Konstruktion des Selbst und der eigenen Identität. (Narrative Psychologie, Theoretischer Rahmen, Wikipedia)

eine Äußerung, die sich auf etwas Historisches bezieht, die sowohl Inhalt als auch Subtext transportiert und deren Funktion es ist, Erlebtes in bekannte Kategorien zu bringen, siehe Erzählung (Narrativ, Wikipedia)
Häufig wird als Subtext auch dasjenige definiert, was „eigentlich“ gesagt werden soll; diese Definition ist jedoch ungenau und sogar problematisch, da die beiden Bedeutungsebenen in gegenseitigem Abhängigkeitsverhältnis stehen. Im Gegensatz zur expliziten Aussage, die im Idealfall für alle verständlich ist, erschließt Subtext sich nur solchen Lesern, Hörern usw., die über besondere zusätzliche Informationen verfügen. Das Verstehen von Subtext wird als Interpretation, als „Zwischen-den-Zeilen-Lesen“, bezeichnet. (Subtext, Definition, Wikipedia)


Wissen wird in der Erkenntnistheorie traditionell als wahre und gerechtfertigte Meinung (englisch justified true belief) bestimmt. Generell wird Wissen als ein für Personen oder Gruppen verfügbarer Bestand von Fakten, Theorien und Regeln verstanden, die sich durch den größtmöglichen Grad an Gewissheit auszeichnen, so dass von ihrer Gültigkeit bzw. Wahrheit ausgegangen wird. Paradoxerweise können daher als Wissen deklarierte Sachverhalts­beschreibungen wahr oder falsch, vollständig oder unvollständig sein.

Da jede Erkenntnis auf Sinnesdaten basiert, die bereits durch den eingeschränkten biologischen Wahrnehmungsapparat gefiltert und unbewusst interpretiert werden, kann es kein absolut sicheres Wissen geben. Die Wiedergabe der Realität bleibt demnach immer ein hypothetisches Modell.[1] (Wissen, Wikipedia)

Der Konstruktivismus in lernpsychologischer Hinsicht postuliert, dass menschliches Erleben und Lernen Konstruktionsprozessen unterworfen ist, die durch sinnesphysiologische, neuronale, kognitive und soziale Prozesse beeinflusst werden. Seine Kernthese besagt, dass Lernende im Lernprozess eine individuelle Repräsentation der Welt schaffen. Was jemand unter bestimmten Bedingungen lernt, hängt somit stark, jedoch nicht ausschließlich, von dem Lernenden selbst und seinen Erfahrungen ab. (Konstruktivismus (Lernpsychologie), Wikipedia)

siehe auch:
»Die erste Handlung eines Lehrers besteht darin, die Idee einzuführen, daß die Welt, die wir zu sehen glauben, nur eine Sichtweise, eine Beschreibung der Welt ist. Dies zu akzeptieren scheint eine der schwierigsten Aufgaben überhaupt zu sein. Wir sind auf selbstgefällige Weise in unsere bestimmte Weltsicht verstrickt, die uns zu Empfindungen und Handlungen zwingt, als ob wir alles über die Welt wüßten. Ein Lehrer zielt von seiner allerersten Handlung an darauf ab, diese Sichtweise zu beenden. Hexenmeister nennen es die Beendigung des inneren Dialogs. Und sie sind überzeugt davon, daß es die wichtigste Technik ist, die ein Lehrling lernen kann« (Castaneda, wahrscheinlich in Die Lehren des Don Juan. Ein Yaqui-Weg des Wissens, zit. in Schlippe, Schweitzer, Lehrbuch der systemischen Therapie und Beratung)
Wie wird in sozialen Systemen das »hergestellt«, was wir gemeinsam mit anderen als Wirklichkeit erleben? Wir können keine Erkenntnis über die Welt der Dinge erlangen, ohne uns in die Welt der Beschreibungen zu begeben: »Sprache wurde niemals von jemandem erfunden, nur um damit eine äußere Welt zu internalisieren. Deshalb kann sie nicht als Mittel verwendet werden, mit dem sich eine solche Welt offenbar machen läßt. Es ist vielmehr so, daß der Akt des Erkennens in der Koordination des Verhaltens, welche die Sprache konstituiert, eine Welt durch das In-der-Sprache-Sein hervorbringt« (Maturana u. Varela 1987, zit. in Schlippe, Schweitzer, Lehrbuch der systemischen Therapie und Beratung).
Da wir kein Bewußtsein von dem haben können, was uns nicht bewußt ist, konstruieren wir permanent eine kontinuierliche und konstante Welt des Erlebens, überbrücken wir »blinde Flecken« des Bewußtseins und stabilisieren so unsere Welt in einem aktiven und selbstorganisierten Prozeß. Dieser Prozeß geschieht nun nicht individuell, sondern sozial-kommunikativ: Wir erzählen uns selbst und uns gegenseitig ständig, wie die Welt ist und halten sie damit stabil. »Durch Wiederholung verfestigen sich Geschichten zu Wirklichkeiten, und manchmal halten sie die GeschichtenerzählerInnen innerhalb der Grenzen gefangen, die sie selbst erzeugen halfen« (Efran 1992, zit. in Schlippe, Schweitzer, Lehrbuch der systemischen Therapie und Beratung, Hervorhebung von mir).

Escher's Print Gallery Explained [1:31] (Youtube)

Veröffentlicht am 08.05.2012
This video was running in Escher Museum at Den Haag, Holland. It explains with precision what happens in the too-chaotic part of the Escher famous picture

Vielleicht wäre es nützlich, erst einmal zusammenzufassen, was bisher gesagt worden ist, und zwar gleichsam in Form von Slogans, die Ihnen die wesentlichsten Aussagen ins Gedächtnis rufen sollen. Der erste hat mit Geschichte und evolutionärer Transformation zu tun, und lautet: Die Landkarte ist das Gelände. Gregory Gateson sagte gerne: Die Karte ist nicht das Gelände, das heißt, man soll Ebenen der Bedeutung nicht durcheinanderbringen. Aber von der Sichtweise aus, die ich beschreibe, kann es keinen Unterschied zwischen Karte und Gelände geben, die Landkarte ist das Gelände, das Gehen ist der Weg. Das ist also der erste Grundsatz: Wir gehen mit der Welt nicht so um, daß wir uns optimal an sie anpassen, sondern wir in-formieren sie; so, wie wir sie gestalten, ist sie auch. 

   Zweiter Grundsatz, das Gehirn betreffend: Das Gehirn ist nicht eine Vorrichtung zur Aufnahme und Verarbeitung von Informationen, es ist darauf angelegt, Regelmäßigkeiten herzustellen. Wie man Regelmäßigkeiten herstellt, hängt von der Landkarte ab, die die eigene Welt ist. Wenn ich also zum Beispiel die Farbe Rot sehen, da hinten im Saal, würde man nach dem überkommenen Paradigma sagen, daß da etwas Rotes von dort zu mir hierher gekommen ist und ich daraus ein Bild mache, das damit zu tun hat, daß es meinem Überleben dienlich ist, das Rote zu sehen. Aber ich sage, Rot ist viel mehr als nur ein wenig Licht, was von dort nach hier gekommen ist. Denn erstens kann ich den Vorgang, daß ich das Rot wahrnehme, nicht von der Struktur meines Auges trennen, wie wir gerade gesehen haben. Und zweitens hat diese Qualität "Rot" eine lange Geschichte hinter sich. Eine Geschichte, in der wir als lebende Systeme in einer Welt miteinander verbunden waren und gemeinsam diese regelmäßige Umgebung geschaffen haben, die wir unsere Welt nennen, die aber nicht irgendwo "da draußen" liegt. Es existiert da eine wechselseitige Partnerschaft, und wenn wir unsere konkrete, alltägliche Welt so vorfinden, wie sie ist, vergessen wir immer, was wir individuell, in unserer eigenen Entwicklung, und kollektiv, in der Geschichte unserer Spezies, getan haben, um sie so vorzufinden. Es ist unmöglich, meine Wahrnehmung von Rot von dem spezifischen Weg zu trennen, der mich in die Situation gebracht hat, in der ich es wahrnehme. Das ist wohlgemerkt keine philosophische Behauptung, sondern eine biologische. Es ist natürlich auch eine philosophische These, aber sie ist nicht durch bloße Reflexion zustandegekommen, sondern dadurch, daß die empirischen Fakten der Evolution und der Gehirnforschung sie nahelegen. 
   Diese beiden "Slogans" umreißen also die neue Biologie, von der ich am Anfang meines Vortrags sprach. Sie kann durch zwei entscheidende Verschiebungen im Hauptaugenmerk charakterisiert werden. Der erste Schwerpunkt liegt auf der Arbeitsweise autonomer Einheiten, wobei Autonomie hier die spezifische Weise bedeutet, wie sich die Einheit durch ihre inneren Zusammenhänge von der Umgebung absetzt. Solche kooperativen oder selbstorganisierenden Mechanismen können explizit herausgearbeitet werden, und hier gibt es noch viel zu erforschen. Zweitens wird das Augenmerk darauf gelegt, wie sich autonome Einheiten transformieren. Transformation bedeutet hier die natürliche Drift, die durch die Plastizität der internen Organisation ermöglicht wird. In diesem Prozeß des Abdriftens gibt es viele mögliche Pfade, entlang derer die Veränderung gehen kann. Das trifft auf die Evolution ebenso zu wie auf Lernen. 


M.C. Escher, Print Gallery (mcescher.com)
    Bei unserer "epistemologischen Bereinigung" werden wir ständig mit der Wahl zwischen Eternalismus und Nihilismus konfrontiert. Der Eternalismus besagt, daß es eine objektive Welt geben muß, an die man sich optimal anpassen muß, oder von der man irgendein Abbild formen muß. Die einzige Alternative dazu scheint das Gegenteil zu sein, nämlich die nihilistische Annahme, daß die Welt rein subjektiv ist. Ich glaube, wir sind jetzt in der Lage sagen zu können, daß es einen mittleren Weg zwischen diesen beiden Extremen gibt, zwischen Eternalismus und Nihilismus, zwischen Adaptionismus und Creationismus, was die evolutionäre Theorie betrifft, oder in der Gehirnforschung zwischen dem Repräsentationismus und dem Solipsismus. Der mittlere Weg besteht genau darin, die gemeinsame Entwicklung von Einheiten und ihrer Umwelt zu betrachten, die Art und Weise, wie Einheiten ihre Welt durch ihre internen Kohärenzen und ihre natürliche Drift in-formieren.
    Ich schlage also einen mittleren Weg zwischen diesen beiden Extremen vor, der durchaus produktiv und wissenschaftlich gangbar ist. Geist und Materie werden dadurch ein Kreis, weil man nicht zwischen Materie als eternalistisch und Geist als nihilistisch und unfaßbar entscheiden muß; zwischen beidem herrscht gegenseitige Bestätigung oder gegenseitige Spezifizierung, oder das abhängige Entstehen, wie die Buddhisten sagen würden.
    In der abgebildeten Zeichnung von Maurits Escher sehen wir einen Jungen, der das Bild einer Stadt betrachtet, die aber gleichzeitig aus der Wand heraustritt, sodaß der Junge und die Galerie Teil der Stadt werden, auf die er blickt. Wo ist hier Geist und wo Materie? Von einem Standpunkt aus könnte man sagen, die Materie entstehe, weil der Junge das Bild ansieht und U nterscheidungen macht. Aber zur gleichen Zeit macht auch die Welt den Jungen, und es gibt keinen Weg zu sagen: das ist fest oder das ist fest, oder das kommt zuerst oder das kommt zuerst. Tatsächlich hat das Ganze die Struktur eines Kreises, und deswegen ist auch in der Mitte ein Loch. Die Situation hat keinen festen Grund unter den Füßen. Der mittlere Weg zwischen Geist und Materie bedeutet, daß man etwas aufgeben muß, was wir alle ganz und gar nicht aufgeben wollen, nämlich die Annahme, es müsse irgendwo einen festen Bezugspunkt geben. In dieser Sicht der Dinge, befürchte ich, gibt es den aber nicht. Wir müssen lernen, sozusagen ohne festen Boden unter den Füßen zu leben, mit jener Bodenlosigkeit der Existenz, aus der viele verschiedene Welten entstehen können, von denen keine ein fester, unverrückbarer Bezugspunkt ist.
Lassen Sie mich diesen Vortrag beenden, wie ich ihn begonnen habe, nämlich mit einem Gedicht. Es ist von dem Spanier Antonio Machado, der das alles wahrscheinlich besser und sicher kürzer ausgedrückt hat als ich:

Wanderer, deine Fußstapfen
sind der Weg, und nichts sonst.
Wanderer, einen Weg gibt es nicht,
den Weg machst du beim Gehen.
Beim Gehen macht du den Weg, 

und blickst du zurück,
so siehst du den Pfad,
den du nie mehr wieder
betreten mußt.
Wanderer, einen Weg gibt es nicht, 

nur Wirbel im Wasser des Meeres.
(Caminante, son tus huellas 

el camino, y nada mas; 
caminante, no hay camino, 
se hace camino al andar. 
AI andar se hace camino 
y al volver la vista atrás 
se ve la senda que nunca 
se ha de volver a pisar. 
Caminante, no hay camino 
sino estelas en el mar)
(aus: Das Gehen ist der Weg, Vortrag von Francisco Varela, gehalten auf der Konferenz »Andere Wirklichkeiten, 1983 in Alpbach, veröffentlicht in Rainer Kakuska, Andere Wirklichkeiten, Dianus-Trikont-Verlag; Hervorhebungen von mir)

Der Baum der Erkenntnis (OT: El árbol del conocimiento) ist der Titel einer 1984 publizierten Untersuchung der chilenischen Biologen, Neurowissenschaftlerund Philosophen Humberto Maturana und Francisco Varela über die Entwicklung des Lebens, in der sie ihre biologische Theorie der Kognition mit dem Konzept der Autopoiese vorstellen.
[…]
Ein zweiter Aspekt bei diesen Darstellungen ist die bewusste Betonung der Perspektive des Beobachters[10], eines Lebewesen[s] in der Sprache, d. h. die Beachtung des kognitiven, rückbezüglichen (rekursiven) Prozesses beim Verstehen der Realität,[11] den Maturana/Varela als Ontieren, als subjektgebundenes Konzipieren eines Bildes der Realität bezeichnen. Damit binden sie Philosophie und Kognitionswissenschaften in ihre Interpretation mit ein:[12] Alles Gesagte ist von jemandem gesagt (Zweiter Kernaphorismus.[13]) Die Autoren wollen den Leser von ihrem Baum der Erkenntnis (s. Kasten rechts oben) essen lassen – mit dem Appell: Die „Erkenntnis der Erkenntnis“ verpflichte zu „ständiger Wachsamkeit gegenüber der Versuchung der Gewissheit“, dass die Welt, die wir sehen, „nicht die Welt ist, sondern eine Welt, die wir mit anderen hervorbringen“.[14] (Der Baum der Erkenntnis, Perspektive des Beobachters, Wikipedia)
[…]
Den Begriff alles Lebendigen verbinden M/V mit der autopoietischen (= sich selbst schaffenden) Organisation, die sie am Beispiel einer Zelle aufzeigen und auf mehrzellige Organismen übertragen.[25] Ziel der Evolution ist das Fortbestehen der Art mit Hilfe der Einzelwesen. Voraussetzungen dafür sind sowohl eine autonome Organisation wie eine Anpassung (strukturelle Koppelung) an die Umgebung, allerdings nicht als einseitige Ausführung der Forderungen der Außenwelt: Bei all diesen Prozessen gibt es nicht einen Akteur und die Zielgruppe, sondern wechselseitig sich überlappende Vorgänge: Bereits bei der Reproduktion ist nicht allein die DNS beteiligt, sondern ein ganzes Netzwerk von Interaktionen mit z. B. den Mitochondrien und Membranen in ihrer Gesamtheit.[26] Dieses Zusammenspiel zur Selbsterhaltung besteht aus Geben und Nehmen, wobei die ausgewählten und übernommenen Substanzen zum System passen müssen und von diesem verarbeitet werden. Das heißt: Die beteiligten Organe sind in einem kontinuierlichen Netzwerk von Wechselwirkungen miteinander verbunden. Am Beispiel der Zelle wird dies deutlich:[27] Der Zellstoffwechsel erzeugt Bestandteile, die in das Netz von Transformationen, das sie hervorbrachte, integriert werden, und bildet einen Rand (Membran[28]), der die Zelle als Einheit konstituiert und selbst wieder an diesem Transformationsprozess durch Operieren beteiligt ist: durch Regulierung des Stoffdurchflusses von außen oder innen. Das bedeutet: Es wird nur mit Substanzen (wie Natrium- und Calcium-Ionen) interagiert, die zu der Organisation der Zelle und ihrer Struktur passen. Die daraus folgenden Veränderungen in der Zelle werden demnach von ihrer eigenen Struktur als zelluläre Einheit bestimmt. Das führt zu einer Autonomie[29] der Zelle: Sie lebt nach ihren eigenen Gesetzen, ist aber nicht selbst-versorgend, also auf lebensnotwendige Zulieferungen angewiesen, genauso wie die Zulieferer, die nach denselben Prinzipien organisiert sind. Es muss folglich im Überlebensprozess zu einem Ausgleich, zu einer Zusammenarbeit (Symbiose)[30] kommen.  (Der Baum der Erkenntnis, Autopoiese, Wikipedia)

Francisco Varela: ¿Qué es la vida? - Monte Grande 2004 [1:37:20]

Veröffentlicht am 21.05.2013
Francisco Varela: ¿Qué es la vida? - Monte Grande 2004

aktualisiert am 30.12.2015